„Die Weltbankgruppe in der Folgezeit der Krise“ Available in: English, 日本語, руÑ?Ñ?кий, Bahasa (Indonesian), Türkçe, ‫العربية‬, Español, 中文, Français, Português Jahrestagungen Gouverneursrat der Weltbank-Gruppe Rede von Robert B. Zoellick Präsident Weltbankgruppe Istanbul, Türkei 6. Oktober 2009 „Die Weltbankgruppe in der Folgezeit der Krise“ Verehrter Herr Vorsitzender, sehr geehrte Gouverneure, sehr verehrte Gäste, ich freue mich, Sie bei dieser Jahrestagung begrüßen zu dürfen. Mein besonderer Dank gilt dem Vorsitzenden des Gouverneursrates Nguyen Van Giau sowie Agustín Carstens für die Leitung des Entwicklungsausschusses. Agustín Carstens und ich haben in den letzten beiden Jahren noch enger zusammengearbeitet. Ich habe große Achtung vor seinen Fähigkeiten als Minister und umsichtige Führungspersönlichkeit und profitierte in hohem Maße von seiner Unterstützung und Freundschaft. Agustín Carstens wird an dieser Tagung letztmals als Vorsitzender des Entwicklungsausschusses teilnehmen, doch ich weiß, dass ich auch künftig nicht auf seinen Rat und seine Urteilskraft verzichten möchte. Ich freue mich auf die Zusammenarbeit mit Minister Al-Khalifa aus Bahrain, der sich dankenswerterweise bereit erklärt hat, den Ausschussvorsitz zu übernehmen. Minister Al-Khalifa und ich haben bereits bei früheren Gelegenheiten zusammengearbeitet, und ich bin sehr erfreut, dass er zugestimmt hat, uns in dieser schwierigen Zeit zu unterstützen. Danken möchte ich darüber hinaus meinen Kollegen Dominique Strauss-Kahn. Unsere beiden Institutionen haben im vergangenen Jahr partnerschaftlich kooperiert, und ich schätze seine umfassenden Kenntnisse, seinen Sinn fürs Praktische und seinen Humor. Außerdem möchte ich mich bei der türkischen Regierung und dem türkischen Volk bedanken, die sich als hervorragende Gastgeber für unsere diesjährige Jahrestagung erwiesen haben. Wir sind begeistert, diese faszinierende Stadt erleben zu dürfen, in einem Land, das so viel erreicht hat. Mein größter Dank gilt den wundervollen Menschen in Istanbul und der Türkei. Ich möchte diese Gelegenheit nutzen, um an den früheren Weltbankpräsidenten Robert McNamara zu erinnern. Er leitete und gestaltete die Bank 13 unglaubliche Jahre lang. Er gab dieser Institution immense Energie und den festen Glauben, dass die Probleme der Entwicklungsländer gelöst werden können. Am Ende seiner Amtszeit hatte er großartige Erfolge vorzuweisen: die Anstrengungen zur Ausrottung der Flussblindheit; den ersten Kredit der Bank für Ernährung; den Fokus auf die Armen in ländlichen Gebieten, die stärkere Kreditvergabe für die Landwirtschaft; die Veröffentlichung des ersten Weltentwicklungsberichts überhaupt; die Aufnahme von Beziehungen zwischen der Weltbank und China zu einem wichtigen Zeitpunkt für die Entwicklung des Landes. All das verdeutlicht sowohl seinen Weitblick als auch seine Führungsqualitäten. Robert McNamara rückte das Ziel, die Armut in aller Welt zu überwinden, stärker in den Blickpunkt der Weltbankgruppe. Das ist noch heute unser vorrangiges Ziel, und so ist gewährleistet, dass Robert McNamaras Vermächtnis im Bereich der internationalen Entwicklung—und für die Weltbankgruppe—fortbesteht. In einem Gespräch, das ich in seinen letzten Jahren mit Robert McNamara führte, dachte er mit großer Freude an den hervorragenden Stab der Weltbankgruppe zurück, ein wahres Sammelsurium von Talenten aus unterschiedlichsten Kulturen und Ländern. Seine Nachfolger brachten die gleiche Wertschätzung zum Ausdruck. Ich möchte mich ihnen hiermit anschließen. Die Menschen in der Weltbankgruppe haben sich der Herausforderung in Gestalt der Krise im vergangenen Jahr gestellt—mit Engagement, Kreativität und einem hohen Maß an Zweckorientierung für unsere Klienten, also die Länder und Menschen, denen wir beistehen dürfen. Traurig stimmt uns, dass kürzlich Minister Futa aus der Demokratischen Republik Kongo verstorben ist. Ich möchte mich hiermit dem Vorsitzenden anschließen und der Familie wie auch der Regierung des Landes mein Beileid aussprechen. Mein tiefes Mitgefühlt gilt ferner der Familie des ehemaligen japanischen Finanzministers, Herrn Nakagawa. ***** ***** ***** Vor einem Jahr kamen wir in einer Zeit schwerer Turbulenzen zusammen. Heute sind diese Turbulenzen noch längst nicht ausgestanden. Infolge der weltweiten Krise werden bis Ende nächsten Jahres nach unseren Schätzungen 90 Millionen Menschen mehr in extremer Armut leben, bis zu 59 Millionen Menschen mehr in diesem Jahr ihren Arbeitsplatz verlieren und in Subsahara-Afrika möglicherweise 30.000 bis 50.000 Babys mehr sterben. Hinter diesen Zahlen stehen menschliche Schicksale: -- Aoy Puon ist Arbeiterin in einer Kleiderfabrik in Kambodscha. Seit Ausbruch der Krise hat sich ihr Monatslohn halbiert. Heute verdient sich nicht genug, um ihrer Familie in ihrem Heimatort, die auf ihren Lohn angewiesen ist, Geld zu schicken. Im Laufe des vergangenen Jahres mussten 48 Kleiderfabriken in Kambodscha schließen, und 62.000 Menschen verloren ihren Arbeitsplatz, 90 Prozent davon Frauen. Aoy hat nun Angst, dass auch sie arbeitslos wird. -- Zagd ist Hirte in der Mongolei, wo die Viehpreise infolge der Finanzkrise fast ins Bodenlose stürzten. Die Lebensmittepreise steigen unterdessen täglich, so dass sich Zagd Mehl, Reis oder Zucker nicht mehr leisten kann. Für Hirten wie Zagd gibt es keine Rente oder Sozialleistungen —bei einem geringeren Einkommen bleibt ihnen daher nichts anderes übrig, als den Verbrauch zu senken. Ein Hirte erzählt: „Ich kaufe keinen Zucker, weil er zu teuer ist. Wir essen kein Gemüse. Wir gehen nicht aus und brauchen deshalb nicht viel Kleidung ... Im Winter kaufen wir kein Holz und keine Kohle.“ -- Lindiwe ist 28 Jahre alt und lebt in einer Barackenstadt im südlichen Afrika. Sie ist HIV-positiv und hat Tuberkulose. Die Klinik einer Nichtregierungsorganisation, die sich um die Behandlung dieser Krankheiten kümmert, hat sie weggeschickt, weil die Mittel der Geldgeber infolge der Finanzkrise nur noch spärlich fließen und die Nichtregierungsorganisation keine Medikamente mehr kaufen kann. Die Aussichten auf zusätzliche Finanzierungsmittel sind düster: Eine neuere Studie von Weltbank und UNAIDS ergab, dass jedes fünfte Entwicklungsland Kürzungen bei den Programmen zur antiretroviralen Behandlung verzeichnete und 33 Länder erwarten, dass sich die Folgen im nächsten Jahr verschärfen. Für Lindiwe wird die Zeit knapp. „Ich habe Angst, dass ich sterbe und meine kleine Tochter allein zurücklasse“, sagt sie. Verlorene Arbeitsplätze und zerstörte Leben. Mädchen, die nicht mehr zur Schule gehen dürfen. Familien, die entscheiden müssen, auf welche Mahlzeit des Tages sie verzichten sollen. Fehlernährte Kinder. Erfolge des menschlichen Fortschritts werden zunichte gemacht, nicht selten unwiederbringlich. Während wir von Erholung sprechen, ist überall um uns herum das persönliche Leid der Armut zu sehen. In Städten, Dörfern, Tälern und Ebenen, in den Einkaufsstraßen der Großstädte und in Orten ohne Straßen hören wir den Ruf: „Lasst so etwas nie wieder geschehen.“ Versprechen können wir das leider nicht. Wir können unsere Welt nicht krisensicher machen. Denn einer Sache können wir mit Blick auf die Zukunft gewiss sein: Es wird weitere Krisen geben. Doch durch Führung und Zusammenarbeit können wir die Lehren aus der letzten Krise ziehen und nach vorn blicken. Wir müssen über eine reine Krisenreaktion hinausblicken, auf Maßnahmen zum Wiederaufbau von Strukturen, die besser sind als vorher—Maßnahmen, die Bestand haben werden. Diese Aufgabe fällt uns zu, die wir hier versammelt sind. Zusammenarbeit in Krisenzeiten ist dabei die leichtere Ãœbung. Zusammenzuarbeiten, wenn wir nicht mehr am Abgrund stehen, ist die größere Herausforderung. Die Saat der Krise Bevor wir in die Zukunft blicken, müssen wir die Vergangenheit begreifen. Die heutigen Umwälzungen kamen nicht aus dem Nichts. Die Saat wurde früher ausgelegt. In den letzten 20 Jahren erlebte die Welt einen gewaltigen wirtschaftlichen Wandel. Der Zusammenbruch der Planwirtschaften in der Sowjetunion, Mittel- und Osteuropa, die Wirtschaftsreformen in China und Indien und die exportorientierten Wachstumsstrategien in Ostasien trugen allesamt zu einer weltweiten Marktwirtschaft bei, in der nach früher 1 Milliarde heute 4 oder 5 Milliarden Menschen leben. Dieser Wandel eröffnet immense Chancen. Doch er erschütterte auch ein internationales Wirtschaftssystem, das in der Mitte des 20. Jahrhunderts geschaffen worden war und in den seitdem abgelaufenen Jahrzehnten nur kleinere Veränderungen erfahren hatte. Ein Teil der Saat, aus der die heutigen Probleme entstanden, waren die Reaktionen —oder die ausgebliebene Reaktion—auf die Finanzkrisen in den späten 1990er Jahren. Nach der asiatischen Finanzkrise entschieden die Entwicklungsländer, dass sie nie wieder den Stürmen der Globalisierung ausgesetzt sein wollten. Viele beschafften sich „Versicherungen“ durch Wechselkursmanagement und den Aufbau hoher Währungsreserven. Einige dies er Veränderungen trugen zu Ungleichgewichten und Spannungen in der Weltwirtschaft bei, doch jahrelang wurstelten sich die Regierungen angesichts des allgemein guten Wachstums einfach durch. Die Zentralbanken versäumten es, gegen die Risiken anzugehen, die sich in der „New Economy“ aufbauten. Sie schienen den Auftrieb der Produktpreise in den 1980er Jahren im Griff zu haben, doch die meisten entschieden, dass es schwierig sei, Spekulationsblasen an den Finanzmärkten zu erkennen und mittels der Geldpolitik einzudämmen. Sie meinten, der Schaden für die „Realwirtschaft“—Arbeitsplätze, Produktion, Ersparnisse und Konsum —könne beim Platzen der Blasen durch aggressive Zinssenkungen begrenzt werden. Wie sich zeigte, hatten sie sich getäuscht. Regulierer und Aufsichtsbehörden für Finanzinstitute waren nicht mehr in der Realität geerdet. Finanzinnovationen und der Wettbewerb sorgten dafür, dass auch solchen Unternehmen und Familien Leistungen angeboten wurden, die in der Vergangenheit häufig abgewiesen worden waren. Doch die verlockend einfache „Theorie von den rationalen Märkten“ führte dazu, dass die Regulierer die Realität in punkto Psychologie, Unternehmensverhalten und systemische Risiken sowie die Komplexität von Märkten und Menschen aus den Augen verloren. Noch während wir diese schwierigen Lektionen lernen, müssen wir vorausschauen und wiederaufbauen. Im Jahr 1944 nutzten die Delegierten in Bretton Woods die Gelegenheit, einer neuen globalen Ãœbereinkunft Gestalt zu geben. In den drei Wochen in New Hampshire arbeiteten sie ein System von Regeln, Institutionen und Verfahren für die finanziellen und wirtschaftlichen Beziehungen in der Weltwirtschaft aus. Die Welt von damals hat sich in den letzten 65 Jahren dramatisch verändert. Die gegenwärtigen Turbulenzen verändern die Welt erneut. Mögliche Verschiebungen in den Machtstrukturen, den Institutionen und der internationalen Kooperation sind bereits erkennbar. Die Verschiebungen werden teils davon abhängen, wie sich die beteiligten Seiten an die neuen Umstände anpassen, teils vom Tempo der Erholung, teils von Veränderungen bei der Frage, wer das weltweite Kapital, Technologien und Arbeitskräfte besitzt und wie sie eingesetzt werden, und teils schließlich auch davon, wie die Länder zusammenarbeiten—oder auch nicht. Der sich verändernde Kontext Während der Finanzkrise in Asien vor gerade einmal etwas mehr als zehn Jahren war die größte Sorge der Welt, ob China an der Währungsbindung festhalten würde, um die wie Dominosteine umfallenden Volkswirtschaften zu stabilisieren. Heute zählt China zu den führenden Volkswirtschaften der Welt und ist ein stabilisierendes Element der Weltwirtschaft. Gemeinsam haben China und Indien einen Anteil von 8,5 Prozent an der Weltproduktion. Sie und andere Entwicklungsländer wachsen deutlich schneller als die Industrieländer. Die USA wurden von der Krise hart getroffen. Doch sie sind ein zähes Land. Die Zukunft des Landes wird davon abhängen, ob und wie es gegen die hohen Defizite vorgeht, sich ohne Inflation erholt, die sowohl die Kreditvergabe als auch die Währung belasten könnte, und sein Finanzsystem erneuert, sodass es seine Innovationskraft nicht verliert, zugleich aber an Sicherheit und Solidität gewinnt. Die USA müssen auch den Menschen helfen, sich auf Veränderungen einzustellen, damit sie weiterhin über ihren größten Trumpf verfügen: ihre Offenheit für Handel, Investitionen, Menschen und Ideen. Japan erlebt als erste führende Industriemacht politische Umwälzungen im Gefolge der Krise. Der Wahlsieg von Japans Demokratischer Partei könnte erstmals in der Geschichte des Landes zur Entstehung einer nachhaltigen Zwei-Parteien-Demokratie führen. Es ist unklar, ob das alte exportorientierte Wachstumsmodell den Bedürfnissen Japans und der Welt gerecht wird und in einer „ausgewogeneren“ Weltwirtschaft, die nicht mehr so stark auf den US-Konsum baut, weiter Bestand haben kann. In dem alternden Japan werden die Konsumenten neue Bedürfnisse haben. Eine Weltwirtschaft mit mehreren Wachstumspolen könnte Japan neue Märkte eröffnen, vor allem angesichts der beeindruckenden Fähigkeit des Landes, Energie effizient einzusetzen. Die Volkswirtschaften in Mittel- und Osteuropa mussten schwere Schläge hinnehmen. Und ihre Probleme sind längst nicht gelöst. Die gute Nachricht aus strategischer Sicht ist, dass die europäischen Länder trotz aller ihrer internen Debatten und Verhandlungen erkannt haben, dass sie voneinander abhängig sind. Auch unter Belastung brach Europa—dieses Mal—nicht auseinander. Südostasien erhält von der Krise möglicherweise ebenfalls Auftrieb—je nachdem, wie die Chancen genutzt werden. Die Region liegt geografisch an der Schnittstelle zwischen Indien und China, zwei aufstrebenden Mächten. Die ASEAN scheint die Gunst der Stunde erkannt zu haben und hat Maßnahmen ergriffen, um die eigene Integration voranzutreiben, streckt ihre Hand zugleich aber nach anderen aus. Angesichts des großen Gewichts Indonesiens und des wachsenden Einflusses Vietnams entwickelten sich diese beiden Länder trotz der wirtschaftlichen Turbulenzen—ganz anders als noch vor rund zehn Jahren—sehr solide. Für andere könnten die langfristigen Auswirkungen der Krise von den Rohstoffpreisen, vor allem vom Ölpreis, abhängen, die in den letzten Jahren kräftig zulegten. Bei einem Ölpreis von 100 US-Dollar geht es diesen Ländern gut. Bei einem Ölpreis von 30 US-Dollar geraten die meisten dagegen in große Schwierigkeiten. Diese Öl- und Rohstoffabhängigkeit ist eine bedenkliche Basis für eine Volkswirtschaft in einer Welt, die sich darum bemüht, sich von ihrer Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen zu befreien, und in der die Rohstoffpreise Kapriolen schlagen, wenn diese „Anlageklasse“ zum Spielball von Spekulanten wird. Werden die Länder diese Einnahmen klug verwenden— zur Diversifizierung und für eine breiter aufgestellte wirtschaftliche Entwicklung? Mit diesen Fragen müssen sich Russland, die Golfstaaten und einige Länder in Lateinamerika und Afrika auseinandersetzen. Vor der Krise erzielten mehrere afrikanische Länder beständig hohe Wachstumsraten. Nach überwundener Krise könnten sich neue Möglichkeiten bieten. Einige chinesische Produktionsunternehmen denken darüber nach, ihre Produktion von Basiserzeugnissen nach Afrika zu verlagern. Zu Chinas Vorhaben in Afrika —die auch Ressourcenentwicklung und Infrastruktur beinhalten—dürften weitere hinzukommen. Brasilien zeigt Interesse, seine Erfahrungen mit der Agrarentwicklung zu teilen. Indien baut Eisenbahnen. Das sind die Anfänge eines Trends, der sich verstärken wird. Die sich wandelnden Machtstrukturen zu begreifen ist entscheidend, um die Zukunft zu gestalten—die Delegierten in Bretton Woods wussten das. Die politische Basis für jenes System entstand aus der gemeinsamen Erfahrung, dass es nach dem Ersten Weltkrieg an Verantwortungsbewusstsein fehlte, und der gründlichen Beurteilung der Machtstrukturen nach dem Zweiten Weltkrieg. Ändern sich diese Machtstrukturen —und das Wesen der Märkte, die sie verbinden—scheint das System aus den Fugen zu geraten. Was kommt als nächstes: eine verantwortungsbewusste Globalisierung? Die alte Ordnung besteht nicht mehr. Wir sollten keine Zeit verschwenden und ihr Tränen nachweinen. Heute müssen wir eine neue schaffen. Heute können wir den Grundstein für eine „neue Normalität“ beim Wachstum und eine verantwortungsbewusste Globalisierung legen. Die Globalisierung trug in vielen Ländern zu hohen Wirtschaftswachstumsraten bei und half mehreren hundert Millionen Menschen, der Armut zu entkommen. Doch die zunehmenden Verflechtungen zwischen den Volkswirtschaften hatten auch maßgeblichen Anteil daran, dass aus einer Finanzkrise in den Industrieländern eine weltweite Krise wurde, die Millionen von Menschen wieder in die Armut stürzte und noch immer stürzt. Der Klimawandel beschleunigt sich, und die ärmsten Länder sind davon am stärksten betroffen. Krankheiten wie SARS im Jahr 2004 oder das H1N1-Virus in diesem Jahr brechen zunächst lokal aus, entwickeln sich aber rasch zu einer weltweiten Gefahr. Ihre Ausbreitung wird durch die Zunahme des Reiseverkehrs und offene Grenzen begünstigt. Wir können und dürfen die Uhr der Globalisierung nicht zurückdrehen. Noch fordert die Öffentlichkeit uns dazu auf. Aber wir können und müssen sie reformieren, um den Schaden zu begrenzen, den sie anrichten kann, und zugleich von dem gewaltigen Nutzen zu profitieren, den eine verantwortungsbewusste Globalisierung Millionen von Menschen bieten kann. Was ist nötig für eine verantwortungsbewusste Globalisierung? Zuallererst müssen wir anerkennen, dass die Entwicklungsländer der Schlüssel zur Lösung heute, zum Fortschritt morgen und zum Wohlstand in den Jahren danach sind. Vor zwei Wochen in Pittsburgh einigten sich die Führer der Welt auf die G20 als vorrangiges Forum für die internationale wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen den Industrieländern und den aufstrebenden Mächten. Das ist ein guter Anfang. Doch die G20 können kein von anderen losgelöstes Forum sein. Ebenso wenig dürfen die mehr als 160 Länder, die ihr nicht angehören, ungehört bleiben. Die G20 sollten als „Lenkungsgruppe“ über ein Netzwerk von Ländern und internationalen Institutionen mit einer größeren Mitgliederbasis operieren. Sie müssen die Verflechtungen zwischen den Problemen anerkennen und Punkte von gemeinsamem Interesse fördern, ohne hierarchisch oder bürokratisch zu sein. Sie sollten mit den hier anwesenden G186 verbunden sein. Prognosen zufolge ist noch für einige Jahre mit einem schwachen Wachstum und einer anhaltend hohen Arbeitslosigkeit zu rechnen. Die Verbraucher in den USA können nicht mehr der Hauptmotor für die Nachfrage in der Wirtschaft sein. Europa und Japan scheinen die Hände gebunden, und China kann zwar aushelfen, doch das Kreditwachstum könnte im kommenden Jahr zu Problemen führen. Wenn sie Zugang zu Finanzmitteln erhalten, können andere Entwicklungsländer dazu beitragen, der weltweiten Erholung Impulse zu geben. Aufgrund ihrer Staatsfinanzen haben viele von ihnen Spielraum für Kreditaufnahmen, können aber nicht so viele Kredite, wie sie brauchen würden, zu angemessenen Preisen erlangen, ohne ihren privaten Sektor zu verdrängen. Die Weltbankgruppe und die regionalen Entwicklungsbanken können helfen. Eine bessere Finanzregulierung und - aufsicht, die den Fokus der Anreize vom kurzfristigen Casino-Kapitalismus auf langfristig produktive Investments verlagert, wird ebenfalls hilfreich sein. Zweitens müssen die Führer betonen, dass eine ausgewogene, inklusivere Weltwirtschaft mehrere Wachstumspole braucht—und nicht nur China und Indien als zusätzliche Motoren. Die Länder in Lateinamerika, Südostasien und dem erweiterten Nahen Osten können zur Zukunft beitragen, wenn sie heute investieren. Mit der Zeit können Investitionen in Afrika, einem Markt mit fast einer Milliarde Menschen, die Integration der dortigen Märkte fördern und Afrika zu einer weiteren Quelle für Wachstum machen. Um mehrere Wachstumspole aufzubauen, müssen wir Engpässe beseitigen und die Produktivität durch Investitionen in den Infrastruktur- und Energiebereich, die Expansion des privaten Sektors und die regionale Integration vor dem Hintergrund offener Märkte steigern. Die neuen Wachstumspole sind potenzielle Abnehmer von Investitionsgütern, Dienstleistungen und Technologien aus Industrieländern. Drittens müssen sich die Führer verpflichten, auf ein nachhaltiges Wachstum hinzuarbeiten. Wie der von der Weltbank kürzlich veröffentlichte Weltentwicklungsbericht zu Entwicklung und Klimawandel deutlich machte, drohen den Entwicklungsländern 75 bis 80 Prozent der potenziellen Schäden durch den Klimawandel, während in diesen Ländern noch immer mehr als 1,6 Milliarden Menschen keinerlei Zugang zu Elektrizität haben. Die Entwicklungsländer—mit ihren Interessen—müssen mit am Tisch sitzen. Sie brauchen Anreize und Finanzierungsmittel, um durch die Nutzung von Technologien, die Umsetzung von Maßnahmen für eine höhere Energieeffizienz und Investitionen in die Aufforstung ein CO2-armes Wachstum zu fördern. Viertens müssen wir Mechanismen zum Schutz der Schadenanfälligsten schaffen. Vor zwei Wochen bekräftigten die G20-Führer beim Gipfel in Pittsburgh ihre Unterstützung für eine neue Initiative zur Nahrungsmittelsicherheit im Volumen von 20 Milliarden US-Dollar, die bei der G8-Sitzung in Italien ins Leben gerufen worden war. Sie forderten die Weltbankgruppe auf, in Zusammenarbeit mit Gebern und Organisationen einen multilateralen Treuhandfonds zur Aufstockung der Agrarhilfen für Niedrigeinkommensländer einzurichten. Allzu häufig konzentriert die bilaterale Hilfe die Ressourcen nur auf bestimmte Sektoren und Länder. Doch mit diesem umfassenderen, multilateralen Ansatz können wir Ressourcen bündeln, innovative Anstrengungen zugunsten der Nahrungsmittelsicherheit in allen Segmenten der Ernährungskette besser fördern und für nachhaltige Agrarsysteme sorgen. Bloße Zusagen auf Papier bringen allerdings keine Saat in den Boden oder Essen in hungrige Münder. Wie die gegenwärtige Dürre in Ostafrika beweist, sind Hunger und Hungersnöte eine ständige Bedrohung. Wir müssen daher rasch handeln, um diese Initiative umzusetzen. Nahrungsmittel-, Kraftstoff- und nun auch Finanzkrisen haben den Fortschritt auf dem Weg zum Erreichen der Millennium-Entwicklungsziele aus dem Tritt gebracht und Erfolge von Jahren zunichte gemacht. Wir müssen eine Lücke in der weltweiten Finanzarchitektur schließen, indem wir den ärmsten Ländern Versicherungen bieten, damit sie gewaltigen Schocks nicht schutzlos ausgeliefert sind. Die Weltbankgruppe wird daran arbeiten, dem von den G20 und dem Entwicklungsausschuss unterstützten Vorschlag einer Crisis Response Facility (Fazilität zur Krisenreaktion) Gestalt zu geben. Diese Fazilität kann den schadenanfälligsten und labilsten Ländern, von denen sich viele gerade erst von Konflikten zu erholen versuchen, jederzeit rasch und wirksam Hilfe leisten. Von gezielten Sicherungsnetzen über Unterstützung für KMU und Mikrofinanz stehen uns Mittel zur Verfügung, um jene mit dem geringsten Polster vor den schlimmsten Turbulenzen zu schützen. Wir müssen außerdem daran arbeiten, dass staatliche Anreize einen echten Nutzen für die Nachfrage im privaten Sektor, die Investitionen und den Handel haben, indem wir ein Gegengewicht zum Protektionismus des Finanzwesens und Handels schaffen. Die IFC hat kürzlich die neue Asset Management Corporation gegründet, die Fonds verwaltet, die wiederum in Banken, Eigenkapital, Infrastruktur und Umschuldungen investieren. Wir können zum Aufbau von Finanzmärkten in Entwicklungsländern beitragen und zugleich Kapital von staatlichen, Pensions- und anderen Vermögensverwaltungsfonds in den produktiven Privatsektor in Entwicklungsländern umlenken. Die Rolle der Weltbankgruppe Im vergangenen Jahr stemmte sich die Weltbankgruppe gegen die Krise und leistete Finanzhilfen im Rekordvolumen von 59 Milliarden US-Dollar. Die IBRD-Zusagen verdreifachten sich fast auf 33 Milliarden US-Dollar. Die IDA stellte mit 14 Milliarden US-Dollar ebenfalls einen neuen Rekord auf, und über 50 Prozent der neuen IFC-Projekte wurden IDA-Ländern durchgeführt. Die Fördermittel für Infrastruktur—entscheidend für die Konjunkturerholung und die Schaffung von Arbeitsplätzen—erreichten 21 Milliarden US-Dollar, und die Hilfen für Sicherungsnetze und andere Programme zur sozialen Absicherung zugunsten der Schadenanfälligsten stockten wir auf 4,5 Milliarden US-Dollar auf. Die IFC kombiniert eine hohe Innovationskraft mit der Mobilisierung von Ressourcen; wir haben Initiativen in den Bereichen Bankenkapitalisierung, Handelsfinanzierung, Infrastruktur und Mikrofinanz ins Leben gerufen. Mit Blick auf die IBRD erwarten wir für dieses Geschäftsjahr ein neues Rekordvolumen von 40 Milliarden US-Dollar oder mehr. Die Nachfrage nach IBRD-Krediten übersteigt nun deutlich die Marke von 100 Milliarden US-Dollar, die der Entwicklungsausschuss letztes Jahr in seinem Communiqué gefordert hatte. Den IDA-Ländern drohen darüber hinaus beträchtliche Finanzierungslücken. Wir schätzen, dass in den ärmsten Ländern bei gefährdeten, wichtigen Ausgaben für Gesundheit, Bildung, Sicherungsnetze und Infrastruktur eine Unterdeckung von rund 11,6 Milliarden US-Dollar besteht. Ich weiß, dass die Haushaltslage in den Industrieländern angespannt ist. Doch eine verantwortungsbewusste Globalisierung erfordert verantwortungsbewusste Stakeholder. Wir können und müssen mehr tun. Welche Rolle soll die Weltbankgruppe in einer neuen Welt nach der Krise spielen? Eine gut kapitalisierte Weltbankgruppe könnte bei der weltweiten Reaktion auf die Probleme der Globalisierung, Entwicklung und Finanzkrise eine führende Rolle spielen. Wir besitzen eine weltweite, lokale und sektorübergreifende Präsenz und die nötigen Fähigkeiten, um mit dem öffentlichen und privaten Sektor, Mitteleinkommens- und Niedrigeinkommensländern zusammenzuarbeiten. Wir verfügen über einen Schatz von weltweiten Best Practices im Entwicklungsbereich, den wir laufend vergrößern, erstklassige Kompetenzen in Risikomanagement und Bankwesen sowie über bilanziellen Spielraum für Kredite. Bei der länger werdenden Agenda bezüglich der globalen öffentlichen Güter spielen wir eine Führungsrolle, können weltweit als Katalysator fungieren und die Länder der Welt an einen Tisch bringen. Aufgrund all dieser Faktoren nimmt die Weltbankgruppe unter den multilateralen Entwicklungsbanken eine einzigartige Stellung ein. Vier wesentliche Faktoren dürften Einfluss darauf haben, welche Funktion die Weltbankgruppe nach der Krise erfüllt: Der erste Faktor wird die traditionelle und innovative Entwicklungsfinanzierung sein. Die Klienten der Weltbankgruppe drängen darauf, dass unsere Institution mit einer guten Kapitalausstattung aus der Krise hervorgeht und in der Lage ist, bei der Finanzierung weiterhin eine kritische Masse bereitzustellen, um das weltweite Wirtschaftswachstum zu stützen und die Armut zu überwinden. Die Weltbankgruppe kann diese Aufgabe in mehrfacher Hinsicht erfüllen. Wir können einen Beitrag zu fiskalpolitischen Anreizen und zum Schutz der wichtigsten Ausgaben in Ländern leisten, die keine Maßnahmen umsetzen können, um dem Zyklus zu begegnen, wir können dazu beitragen, die weltweite Nachfrage anzukurbeln, um die Erholung der Weltwirtschaft zu unterstützen, wir können Finanzierungsmittel und Unterstützung für den Handel bereitstellen, wir können dem Privatsektor helfen, von dem großen Nutzen der Maßnahmen zu profitieren, mit denen Regierungen auf die Krise reagieren, und mit Investitionen können wir dazu beitragen, mehrere Wachstumspole mit einem reaktionsfreudigen, verantwortungsvollen öffentlichen Sektor und einem dynamischen privaten Sektor aufzubauen. Der zweite Faktor wird die Bereitstellung von Wissensprodukten sein. Die Weltbankgruppe ist ein Hort weltweiter Best Practices im Entwicklungsbereich und bündelt Umsetzungserfahrung mit Analysen und Lernen. Dabei stützt sie sich sowohl auf den öffentlichen als auch den privaten Sektor. Unsere Klienten treten an uns heran mit dem Wunsch, mehrere Quellen für Praxiswissen und Innovation miteinander zu verbinden und auf ihre Bedürfnisse zuzuschneiden. Der dritte Faktor ist die Agenda der weltweiten öffentlichen Güter —drängende globale Probleme wie der Klimawandel und ansteckende Krankheiten, die multisektorale institutionelle Maßnahmen verlangen, welche politische Beratung und Investitionen mit einer in Länderprogrammen verwurzelten globalen Reichweite kombinieren. Ãœber die Klima- Investitionsfonds mobilisiert die Weltbankgruppe bereits erhebliche Finanzierungsmittel. Wir können beim Technologietransfer (unter anderem Entwicklung CO2-armer Wachstumsstrategien gemeinsam mit Klienten) und bei der Stärkung der Gesundheitssysteme, wo wir unsere Arbeit bereits ausdehnen, eine entscheidende Rolle spielen. Die Weltbankgruppe kann außerdem die öffentlichen Güter robuster, dynamischer Handels- und Finanzsysteme auf der Grundlage multilateraler Regelwerke unterstützen. Der vierte Faktor sind zukünftige Krisen—jene, die wir heute nicht vorhersagen können, von denen wir aber wissen, dass sie eintreten werden: Es könnte sich um eine Pandemie handeln, eine Natur- oder eine vom Menschen verursachte Katastrophe oder um eine Wirtschafts- oder Sozialkrise. Als Reaktion darauf kann die Weltbank das ganze Spektrum an Fähigkeiten und Instrumenten zu Gunsten ihrer Anteilseigner mobilisieren, wie sie es unlängst bei den Nahrungsmittelkrisen oder den Hilfsmaßnahmen nach dem Tsunami im Indischen Ozean oder den Finanzkrisen in Mexiko und Ostasien getan hat. Die Weltbankgruppe unterhält eine Reihe finanzieller Maßnahmen, um unser Kapital optimal zu nutzen, darunter eine Erhöhung der Kreditkosten, die Zusammenarbeit mit den Ländern, damit wir die Anteile nutzen können, die sie mit ihrer Landeswährung erworben haben, eine selektive Kapitalerhöhung, die an Veränderungen beim „Mitspracherecht“ gebunden ist, eine strikte Haushaltsdisziplin und eine mögliche Erhöhung der Kosten für Kredite mit längerer Laufzeit. Diese Maßnahmen verdeutlichen die gegenseitigen Verantwortlichkeiten und Beiträge aller unserer Mitglieder. Doch das ist möglicherweise nicht genug. Wenn die IBRD ihr derzeitiges Kreditvergabetempo beibehält, wird etwa Mitte 2010 ihr Kapital knapp. Die Möglichkeiten der IFC sind bereits jetzt eingeschränkt. Natürlich ist die Zukunft ungewiss. Wenn die Erholung ins Stocken gerät oder einfach nur langsamer erfolgt, sollten wir dann riskieren, dass die Weltbankgruppe in eine aufs Äußerste angespannte Lage gerät und keine führende Rolle mehr spielen kann? Können wir uns mit Blick auf die nächste Krise—die nächste Ernährungskrise, die nächste Seuche—eine Weltbankgruppe leisten, die sich zurückhalten muss? Ich danke dem Entwicklungsausschuss für seine gestrige Zusage, gewährleisten zu wollen, dass die Weltbankgruppe über genug Mittel verfügt, um weitere Entwicklungsprobleme angehen zu können, und in dieser Angelegenheit bis zum Frühjahr 2010 zu einer Entscheidung zu gelangen. Das ist ein wichtiger Schritt nach vorn bei der ersten allgemeinen Kapitalerhöhung für die Weltbank seit zwanzig Jahren. Die Reformagenda Um der sich ändernden Weltwirtschaft gerecht zu werden, braucht die Welt flexible, bewegliche, kompetente und verantwortungsvolle Institutionen. Die Weltbankgruppe wird ihre Legitimität, Effizienz, Effektivität und ihr Verantwortungsbewusstsein stärken sowie die Zusammenarbeit mit den Vereinten Nationen, dem IWF, den anderen multilateralen Entwicklungsbanken, Gebern, der Zivilgesellschaft und Stiftungen, die als Akteure in der Entwicklungsarbeit zunehmend an Bedeutung gewonnen haben, ausweiten. Wir wissen sehr gut, wie wichtig es ist, mehrere Reformen voranzutreiben, um auf Forderungen der Anteilseigner einzugehen, die Leistung zu verbessern und die Unterstützung durch Ihre Gesetzgeber zu sichern. Unsere Bemühungen umfassen unter anderem: • Die Verbesserung der Effektivität der Entwicklungsarbeit mit einem Fokus auf der Ergebnisagenda, auf der Dezentralisierung, auf Geschlechterfragen, auf einer Reform der Investitionskreditvergabe und auf den menschlichen Ressourcen • Die Förderung der Rechenschaftspflicht und der guten Regierungsführung, unter anderem mit unseren weltweiten Anti-Korruptionsbemühungen, der Stärkung von Transparenz und Offenlegungsvorschriften und den in Kürze vorgelegten Empfehlungen der Zedillo-Kommission und • Die weitere Steigerung der Kosteneffizienz Doch wir müssen noch weiter gehen. Das System von Bretton Woods wurde von 44 Ländern in einer Zeit entwickelt, als sich die Macht auf eine kleine Zahl von Ländern konzentrierte. Die große Dekolonisierungswelle schwoll gerade erst an, und die wenigen Entwicklungsländer wurden als Objekte, nicht Subjekte der Geschichte betrachtet. Das ist lange vorbei. Die neuen Realitäten der politischen Ökonomie verlangen ein anderes System. Wenn die Entwicklungsländer ein Teil der Lösung sind, müssen sie auch an den Gesprächen teilhaben. Das internationale System braucht eine Weltbankgruppe, welche die internationalen wirtschaftlichen Realitäten des 21. Jahrhunderts abbildet, die Rolle und die Verantwortung der aufstrebenden Stakeholder anerkennt und Afrika ein stärkeres Mitspracherecht sichert. Die erste Phase der Reformen für mehr Mitspracherecht und eine bessere Vertretung der Entwicklungs- und Transformationsländer in der Weltbankgruppe wurde vor einem Jahr mit einem zusätzlichen Ratssitz für Subsahara- Afrika und der Aufstockung der Stimmrechte der Entwicklungsländer in der IBRD auf 44 Prozent abgeschlossen, Ich bin sehr erfreut, dass der Entwicklungsausschuss gestern betonte, wie wichtig es ist, dass die Stimmrechte der Entwicklungsländer um wenigstens weitere 3 Prozentpunkte—auf dann 47 Prozentpunkte—erhöht werden. Ein endgültiger Beschluss soll bei unserer Frühjahrstagung im kommenden Jahr gefasst werden. Wir müssen weiterhin ehrgeizige Ziele verfolgen. Wir sollten schauen, ob wir den Anteil der Entwicklungsländer im Laufe der Zeit bis auf 50 Prozent erhöhen können, gerade weil die Schwellenländer die Verantwortung teilen, ärmere Länder bei der Entwicklung zu unterstützen. Die Weltbankgruppe sollte die Welt um uns genauer widerspiegeln. Schlussfolgerung Herr Vorsitzender, die alte internationale Wirtschaftsordnung hatte bereits vor der Krise Mühe, mit den Veränderungen Schritt zu halten. Die derzeitigen Umwälzungen haben die großen Lücken und drängenden Bedürfnisse offenbart. Es ist an der Zeit, dass wir aufholen und voranschreiten. Wir brauchen ein System der internationalen politischen Ökonomie, das die Multipolarität des Wachstums widerspiegelt. Es muss aufstrebende Wirtschaftsmächte als „verantwortungsbewusste Stakeholder“ einbinden und zugleich anerkennen, dass in diesen Ländern noch immer Hunderte Millionen Arme leben und große entwicklungspolitische Herausforderungen zu meistern sind. Es muss sich die Energie und Unterstützung der Industrieländer sichern, in denen die Öffentlichkeit eine hohe Schuldenlast trägt, Wettbewerbsängste spürt und der Ansicht ist, dass die neuen Mächte ebenfalls Verantwortung übernehmen müssen. Es muss dazu beitragen, den ärmsten und schwächsten Ländern, den 900 Millionen Menschen, die noch immer keinen Zugang zu sauberem Wasser haben, und der „unteren Milliarde“, die infolge von Konflikten und einer fehlgeschlagenen Regierungsführung in der Armut gefangen sind, die Hand zu reichen. Doch das wird nicht von selbst geschehen. Die Frage lautet, ob die Führer der Welt zusammenarbeiten können, um diese Veränderungen zu steuern. Sie werden dazu neigen, die Interessen der von ihnen vertretenen Öffentlichkeit ihres Landes zu wahren, was auch ihre Aufgabe ist. Doch sie werden auch gehalten sein, gemeinsame Interessen anzuerkennen und zu entwickeln—und zwar nicht von Fall zu Fall, sondern durch Institutionen, die eine „verantwortungsbewusste Globalisierung“ reflektieren. Bretton Woods wird vor unseren Augen generalüberholt. Dieses Mal wird es länger dauern als drei Wochen wie damals in New Hampshire. Es werden mehr Seiten daran beteiligt sein. Doch notwendig ist es auf jeden Fall. Die nächsten Umwälzungen, welcher Art sie auch sein mögen, sind bereits in der Entstehung. Entweder wir nehmen Einfluss auf sie oder wir ergeben uns ihnen.